Newsletter XXII

Liebe Freunde von Churchfortress e.V.,
Lords und Ladies,

es ist schon eine Zeit lang her, seit Ihr das letzte Mal von uns gehört habt. Die Virus-Pandemie hat das Le-ben auf den Kopf gestellt und damit auch unsere Arbeit als Verein etwas durcheinander gewirbelt. Interes-santerweise konnte man in den letzten turbulenten Monaten aber auch gut beobachten, wie sehr wir in Euro-pa und der Welt auf andere angewiesen sind.

Leben in der Europäischen Union
Jährlich kommen hunderttausende Menschen zu uns, um als Saisonkräfte in der Landwirtschaft, in Fabriken und Schlachtereien zu arbeiten. Oft sind sie über Subunternehmer prekär angestellt und leben abgeschottet in Massenunterkünften. Durch die Coronavirus-Pandemie ist dies etwas sichtbarer geworden. Es hat uns nachdrücklich daran erinnert, wie wenig wir doch von dem Leben der anderen bei uns wissen.

Viele von diesen Menschen verlassen jedes Jahr Ihre Heimat und soziales Umfeld, um hier das nötige Geld zu verdienen. Was das für jeden einzelnen bedeutet, kann man nur erahnen. Die meisten von uns kommen wohl nur selten mit diesen Menschen in Kontakt. Deswegen erscheint es uns umso wichtiger, diese Men-schen in Ihrer Heimat, in unserem Fall in Siebenbürgen, zu treffen, kennenzulernen und die Schwierigkeiten und natürlich auch Schönheiten ihres Lebens zu sehen. Bei diesen Besuchen versuchen wir etwas Verständ-nis dafür zu gewinnen, was die Europäische Union mit Arbeits- und Reisefreiheit im Guten und im Schlechten bedeutet und wie nachhaltig dies das Leben (und damit auch die Landschaft) von vielen in den letzten Jah-ren verändert hat.

Ein kleines, aber gutes Beispiel für die Auswirkungen dieses „großen Ganzen“ ist die Dorfherde in Hundert-bücheln, die noch immer täglich durch das Dorf auf die Allmendeweide getrieben wird. Waren es vor einigen Jahren noch mehr als hundertvierzig Kühe und Pferde, ist die Zahl in der letzten Zeit auf weniger als fünfzig geschrumpft. Inzwischen lohnt es sich für den Hirten nicht mehr, einen Helfer anzustellen, der auf die gerne ausbüxenden Pferde achtet, so dass es keine gemischte Herde mehr gibt.

Ein Grund für den Rückgang ist neben mangelndem finanziellen Anreiz, dass man für die Viehhaltung das ganze Jahr im Dorf sein muss. Durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehen aber seit 2014 fast alle jungen Leute im Sommer zum Arbeiten nach Westeuropa. Somit können und wollen sie sich nicht mehr um Tiere kümmern, eine jahrhunderte alte Tradition verschwindet in kurzer Zeit für immer und ewig. Noch ist es in Hundertbücheln noch nicht so weit gekommen, die Existenz der Herde steht aber auf des Messers Schnei-de. Ist die Herde einmal verschwunden, wird sie höchst wahrscheinlich auch nicht mehr wiederkommen. Eine weitere Auswirkung der Corona Pandemie ist, dass heuer etwas weniger Arbeitskräfte ins Ausland gehen als die Jahre zuvor. Schienen Feld und Flur die letzten Jahre wie verwaist, so hat man diesen Sommer den Ein-druck, dass vermehrt wieder Pferdefuhrwerke unterwegs sind und Leben in Dörfer und Felder zurückkehrt.

Wie immer versuchen wir Euch kurze Einblicke wie diese auch über unsere regelmäßigen Facebook-Nachrichten weiter zu geben.

Frühsommerputz und Neuankömmlinge
Trotz der eingeschränkten Reisefreiheit waren wir auch dieses Jahr vor Ort nicht ganz untätig. Dabei hat uns besonders geholfen, dass zwei von uns Anfang des Jahres beschlossen haben, den umgekehrten Weg zu gehen und ihren Lebensmittelpunkt in das Harbachtal zu verlegen.

Und so wurden die ersten schönen Tage im Jahr für Arbeiten (mit Abstand) im Freien genutzt. Unter freundli-cher Mithilfe von Nachbarn, Freunden und Bekannten im Dorf wurden der Garten des Lehrerhaus vorbereitet, ein neuer Kompost gebaut und gepflanzt. Und endlich auch der Bachlauf, der sich bedrohlich dem Haus genähert hatte, geräumt. Natürlich kam dabei auch unsere gärtnerische Ader durch und so sichern nun eini-ge, rund um Movile geschnittene Stecklinge, die neue Böschung.

Im hinteren Teil des Gartens entstand in der Folge eine Scheune für die nächsten Neuankömmlinge des Jah-res. Denn nach den beiden Mangaliza-Schweinen, die letzten Herbst geschlachtet wurden, sind die nächsten sechs Ferkel ins Dorf gekommen. Diesmal sind es Bazna-Schweine. Wieder eine traditionelle Schweineras-se, die hingegen schneller wächst und im wahrsten Sinne des Wortes nicht so fett wird. Zwei Duos haben wir wieder im Dorf abgegeben, wo Sie aufgezogen werden. Auf die zwei verbliebenen Ferkel passen unsere beiden Haus- und Gartenhüterinnen selbst auf. Dass dies gut gelingt, davon könnt Ihr euch gerne selbst überzeugen: Video Schweinchen

Mit der im Juni wiedergewonnenen Reisefreiheit sind dann auch die ersten Auswärtigen zu dem dieses Jahr etwas verspäteten Frühsommerputz eingetroffen. Mit fleißigen Händen wurden die Projekte der letzten Jahre (wie zum Beispiel die Brücke vor dem Haus) auf Vordermann gebracht und allerlei Unordnung in Haus in Hof beseitigt, damit alles bereit ist für die anstehenden Aufgaben.

Restaurierungsarbeiten
Womit wir auch schon bei unseren Plänen für den heißen Sommer sind. Das erste und vorerst größte anste-hende Projekt ist der Neubau unseres Tores. Das alte hat es leider in einem der Herbststürme letztes Jahr aus den Angeln gehoben. Gemeinsam mit einem Handwerker und einem Helfer aus einem Nachbardorf wol-len wir das Tor in traditioneller Bauweise neu anfertigen, den Auflagerstein ersetzen und den Torbogen er-neuern. Da wir dieses Jahr nicht so zahlreich wie sonst in Hundertbücheln sein können, brauchen wir dafür (und für unseren weitern Projekte) mehr professionelle Unterstützung als sonst. Und diese gibt es natürlich nicht umsonst.

Für die Arbeiten am Tor sind ca. 2.000 € nötig, weitere 5.000 € sind grob für die ausstehenden Maurerarbei-ten im Haus (Kamine, fehlende Türstürze und der ein oder andere Riss…) und einen neuen Ofen veran-schlagt. Wie Ihr seht, steigen unsere Kosten mit jedem Projekt, das wir rund um unsere Burg und im Dorf anpacken wollen.

Deshalb möchten wir Euch an dieser Stelle um Eure finanzielle Unterstützung bitten. Jede Spende ist hilf-reich, um unsere Arbeit in Hundertbücheln zu unterstützen und weitere Schritte zusammen mit der Dorfbevöl-kerung gehen zu können. Natürlich dürft Ihr auch gerne Euren reichen Onkels und Tanten in Übersee von unserem besonderen Churchfortress-Projekt erzählen: wahrscheinlich gibt es wenig bessere Gelegenheit, Geld auszugeben, als die zukünftige Entwicklung der einzigartigen Landschaften Siebenbürgens zu unter-stützen!

Kirchenburg
Gute Nachrichten kommen in der Zwischenzeit von der Kirchenburg. Die Stiftung Kirchenburgen hat gemein-sam und mit bedeutender finanzieller Unterstützung der HOG Hundertbücheln geplant, das Hauptdach der Kirche sowie der beiden Türme dieses Jahr zu erneuern. Wie wichtig ein dichtes Dach für den Erhalt der Kir-chenburg ist, haben wir - im Kleinen - an unserem Lehrerhaus erfahren. Desweiteren haben wir mehrfach nach starken Winden auf dem Dach des Hauptschiffes Ziegel nachstecken müssen, da durch Winde und herab-fallende Ziegel bis zu 2m² große Löcher entstanden waren. Wir freuen uns also sehr, dass diese wichtigen Arbeiten angegangen werden.

Ausblick
Wir hoffen, dass Ihr auf die kommenden Projekte genauso gespannt seid wie wir. Drückt uns die Daumen, dass wir unsere Ziele auch in diesem ungewöhnlichen Jahr erreichen. Damit dürfen wir uns für dieses Mal verabschieden. Wir wünschen allen, dass Ihr gesund bleibt oder werdet und wir euch entweder noch in die-sem Jahr oder spätestens im nächsten wieder in Hundertbücheln begrüßen dürfen.

Im Namen aller CF-Mitglieder aus der Newsletter-Redaktion

Katra, Rainer und Felix

 

 

P.s.: Wie in der letzten Ausgabe versprochen, folgt hier noch die Geschichte zu dem verlorenen Trovanten:
Bei den Grabearbeiten für die neue Wasserleitung im Dorf wurde letztes Jahr ein großer Trovant gefunden. Das ist ein flacher, etwa 1,5m großer runder Stein, der an einen Mühlenstein erinnert. Nach kurzer Überre-dung wurde der Stein in den Pfarrgarten gebracht. Nun hätten wir erwartet, dass ein etwa 600 kg schwerer Stein eher unbeweglich ist, aber eines morgens war er auf wundersame Weise verschwunden.
Unsere lokale Meisterdetektivin hat unverzüglich die Spur aufgenommen und buchstäblich keinen Stein auf dem anderen gelassen, bis sie den Trovanten wieder gefunden hatte. Wenn man so möchte, hat sich den Stein jemand geborgt und diesen pflichtschuldig vor einigen Monate zurück in den Pfarrgarten gebracht. Dort liegt er nun bis auf weiteres und wird von einem speziell geschulten Wachhund behütet. Wer es nicht glaubt… überzeugt euch am besten selbst in den Bildern.