Newsletter XXIV

Liebe Lords und Ladies,

liebe Unterstützer und Unterstützerinnen,

das Warten hat ein Ende. Hier seht Ihr ihn endlich vor Euch, den neuen Newsletter XXIV über unser Gemeinschaftsprojekt an der mittelalterlichen Kirchenburg und im zauberhaften Dorf der hundert Hügel. Und wie üblich ist auch diesmal wieder sehr viel passiert seit dem letzten Movile-Update und das wollen wir Euch natürlich nicht länger vorenthalten!

Es schien ganz so, als hätte sich der Frühling auf seinem Weg nach Siebenbürgen in diesem Jahr auf der Südseite der Karpatenberge verlaufen. So lag der Schnee noch meterhoch als die ersten Vereinsaktivitäten anstanden: Im März waren die ersten Bazna-Schweine groß genug, um sie zu schlachten. Wie mit den Dorfbewohner*innen vereinbart, stand uns von jedem Tier ein Viertel zu, wodurch wir in diesem Jahr schon früh zu tun hatten. Wir nutzten eine der wenigen Schneepausen des März‘ um beim Schlachten und Zerteilen der Schweine zu helfen. Da das Fleisch dieser traditionellen Schweinerasse von besonderer Qualität ist, holten wir uns für die weitere Verarbeitung die bestmögliche Expertise ein: Wir baten unseren Freund Padre um Hilfe – aufmerksame Leser*innen kennen den erfahrenen Meisterjäger bereits von früheren Abenteuern aus unseren Newslettern. Unter den strengen Augen des Profis und einer alten Rezeptur folgend verarbeiteten wir einen Teil des Specks und des Fleisches in der für ihre Salami weltbekannten Stadt Sibiu zu transsilvanischen Räucherwürsten („Cârnați“), die nochmals drei Wochen zum Lufttrocknen im zugigen Dachstuhl aufgehängt wurden. Die Innereien wurden in Hundertbücheln zu traditionellen „Cartaboș“ verarbeitet, der restliche Speck gepökelt und das übrige Fleisch portionsweise aufgeteilt. Nach arbeitsreichen Tagen und der ein oder anderen Qualitätsprobe wanderte schließlich alles zusammen in unsere neue Gefriertruhe im Lehrerhaus. Aber die Mühe hat sich gelohnt und wir freuen uns sehr darüber, dass wir unseren Gästen und Helfer*Innen in diesem Jahr qualitativ hochwertiges Fleisch aus lokaler Tierhaltung anbieten können!

Als die Corona-Reisebeschränkungen für Rumänien im Mai endlich entschärft wurden, folgten neun Vereinsmitglieder dem süßen Ruf der hundert Hügel und machten sich voller Tatendrang auf die lange Reise. Nach einem herzlichen Wiedersehen mit vielen Movilianer*Innen machten wir uns auch direkt an die Arbeit, denn es gab wie immer viel zu tun!

Neben Backsteinen für die anstehenden Maurerprojekte schafften wir Holz herbei für unser neues Hoftor, den Schweinestall und das Sonnendeck. Die aus massivem Eichenholz gefertigten Einzelteile des Torrahmens wurden zusammengebaut und in strahlendem Movileblau gestrichen, die Mauer der Toreinfahrt passend geflext, das Holz für die Verplankung zurechtgesägt und zum Trocknen bis zur Endmontage eingelagert. Wir hoffen, dass unser neues Hoftor schon bald an den dafür vorgesehenen Ort gebracht werden und seine Schönheit und Eleganz in das ganze Dorf ausstrahlen kann. Um die Aufenthaltsqualität zum Feierabend auf unser Dauerbaustelle Lehrerhaus zu verbessern, entschlossen wir uns dazu, eine einfache Holzterrasse auf der Rückseite zwischen Haus und Garten zu errichten. Die nach Westen ausgerichtete Terrasse wurde gleich vom ersten Feierabend an zum gemeinsamen Abendessen und der ersten Cârnați-Verkostung genutzt und aufgrund des beeindruckenden Sonnenuntergangs auf den Namen Sonnendeck getauft.

Am nächsten Tag bat uns Tante Erika um Hilfe, da sie eine alte Pergola mitsamt den alten Weinstöcken der „Hundertbüchler Traube“ abreißen wollte. Kurzerhand haben wir uns dazu entschlossen, sie um unser neues Sonnendeck herum wieder aufzubauen und auch die Weinstöcke in unseren Garten umzupflanzen. Parallel dazu wurden die Obstbäumchen aus unserer kleinen Baumschule vereinzelt und entlang des langsam üppiger werdenden Gartens verpflanzt. Als weitere Gartenprojekte wurde der Außenbereich für den Schweinestall in Angriff genommen und darüber hinaus noch ein verwunschener Ort der Entspannung entlang des rückseitigen Baches angelegt. Außerdem wurde der hintere Kellerraum komplett ausgeräumt und von mehreren Zentnern Schutt, Erde und Schafmist befreit, um die Feuchtigkeit aus dem alten Mauerwerk zu bekommen. Versteckt in all dem Unrat hoben wir auch einige Schätze aus lang vergessener Zeit! Neben handgeschmiedeten Eisennägeln, Türbeschlägen und -scharnieren trauten wir unseren Augen kaum, als eine alte Ornamentrolle zum Vorschein kam. Ein kurzer Abgleich an den fast verblassten Resten des Wandputzes zeigte: Es war die vor langer Zeit zur Verzierung benutzte Ornamentrolle des Lehrerhauses! Alle Fundstücke wurden gereinigt und sollen natürlich, wo möglich, für die weiteren Restaurierungen am Haus genutzt werden.

Und wie es eben so läuft in Siebenbürgen dauerte es nicht lange bis die Kunde von den Aktivitäten einerseits und den besonders leckeren hundertbüchler Bazna-Würsten auf der anderen Seite unseren Freund Julius aus dem nahegelegenen Probstdorf erreichten, woraufhin er sich aufmachte und den Lords und Ladies von churchfortress Castle einen Besuch abstattete. Das erste Lagerfeuer des Jahres wurde entfacht und die lodernde Glut dazu genutzt, die nächsten Projekte darin zu schmieden. Bereits im zeitigen Frühjahr wurden im Gemeindewald mehr als dreißig Akazien-Pfosten geschlagen und warteten seitdem darauf, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Unterstützt von zwei Pferdewägen, dem lebenserfahrenen Movilianer Nicolița und der ein oder anderen Phiole mit ausgereiftem Traubensaft machten wir uns also am folgenden Sonntag an die Arbeit, sie entlang des romantischen Wanderwegs zwischen Probstdorf und Hundertbücheln in die Erde zu verankern. Zwei gebrochene Hammerstiele, ein paarungswilliger Zuchtstier und ein Mittagessen später war auch dieses Werk vollbracht. Seitdem führen die mit blauem Dreieck auf weißem Dreieck markierten Pfosten die Wanderer des mehrtägigen Wanderweges zwischen den überregional bekannten Dörfern Bierthälm und Deutsch-Weißkirch auch in unser versteckt gelegenes Movile. Dank unseres umtriebigen Freundes Julius können unsere Besucher und Besucherinnen über die neue Internetseite www.agramonia.com bereits im Vorfeld erste lokal produzierte Erzeugnisse direkt bei den Familien bestellen.  Auch eine Kutschfahrt oder weitere Aktivitäten können gebucht werden. Sukzessiv soll das Angebot auf dieser Plattform ausgebaut werden und den Menschen in den Dörfern der Region eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit bieten.

Neben der Restaurierung des architektonischen Erbes und der Entwicklung der Landschaft zeigt ein kurzer Blick in unsere Vereinssatzung, dass wir uns auch die Bereicherung des kulturellen Lebens im Dorf zur Aufgabe gemacht haben. Im Zuge einer überregionalen Initiative von unseren Freundinnen in Holzmengen zur Anregung der Emanziapation von Frauen in der Gesellschaft veranstalteten wir zwei Workshoptage speziell für die Frauen und Mädchen des Dorfes und luden alle Interessierten in den Gemeindesaal. Unter der Anleitung von Expertinnen wurde die Nutzung von Computern etwa zur Erstellung eines Lebenslaufes für Bewerbungen erklärt, die Möglichkeiten zur Herstellung von weiteren Produkten im Dorf diskutiert und der Zusammenhalt unter den Frauen und Mädchen gestärkt.

Außerdem luden wir ein fahrendes Theater nach Movile ein und drehten viele Dorfrunden für das bevorstehende Schattentheater. Wir staunten nicht schlecht, als sich mehr als 50 Kinder bis zum Alter von etwa 70 Jahren einfanden, um mit uns zusammen die spannenden und lustigen Abenteuer eines mysteriösen Prinzens auf der Suche nach seinem Herzen mitzuerleben. Den großen Erfolg dieses Projekts verdeutlichte der Wunsch zahlreicher Gäste, noch in diesem Jahr eine weitere Veranstaltung dieser Art auszurichten.

Leider mussten wir in diesem Jahr auch einige Rückschläge verkraften. Zwar konnten wir in unserer winterlichen Crowdfunding-Kampagne genug Geld einsammeln, um zur Unterstützung der immer kleiner werdenden Dorfherde zwei Milchkühe zu finanzieren. Doch die eingangs erwähnten Schneemassen im zeitigen Frühjahr ließen einen Teil des dafür gedachten Stalls einstürzen. Mithilfe einiger tatkräftiger Dorfbewohner konnte das erste Problem gelöst und der Stall wieder aufgebaut werden. Das zweite Problem erwies sich allerdings als sehr viel komplizierter! Nachdem im letzten Jahr der Dorfhirte verstarbt, wurde fieberhaft nach einem Neuen gesucht. Nach mehreren Wochen und Missverständnissen sah es Anfang Juni so aus, als ob sich endlich ein geeigneter Kandidat gefunden hatte. Doch leider schien sich der neue Hirte intensiver um den Alkohol als um die ihm anvertrauten Tiere zu kümmern, und so ist die Zukunft der Dorfkuhherde leider weiterhin ungewiss. Wir hoffen sehr, dass bald ein geeigneter Hirte gefunden wird und die jahrhundertealte Tradition der Allmendewirtschaft weitergeführt werden kann!

Auch bei unserem zweiten Projekt zur Unterstützung der kleinbäuerlichen Lebensweise sah es zunächst so aus, als ob uns ein großer Strich durch die Rechnung gemacht werden sollte. Wie erhofft hat sich unser Bazna-Projekt schnell im Dorf herumgesprochen und es haben sich einige Movilianer*innen bei uns gemeldet, die bei der Erhaltung dieser traditionellen siebenbürgischen Schweinerasse mithelfen wollen. Doch aufgrund der auch in Rumänien grassierenden Schweinepest wurde der Transport von Schweinen verboten. Es war uns nicht möglich, weitere Ferkel aus dem Ursprungsort Baaßen / Bazna nach Hundertbücheln zu bringen. Doch wie es eben so läuft in Siebenbürgen erfuhren wir, dass eine der verbliebenen Sauen im Dorf trächtig war und kurze Zeit später acht gesunde und quietschfidele Ferkel zur Welt bringen sollte. Somit hatte sich das Transportproblem unerwartet in Luft aufgelöst und gleichzeitig gab es die erste erfolgreiche Nachzucht direkt im Dorf! Wie schon im letzten Jahr suchen wir nun wieder Unterstützer und Unterstützerinnen, die Patenschaften von je 250 € für eines der Ferkel übernehmen wollen, damit diese ein neues Zuhause in der Nachbarschaft finden können und die Wertschöpfung direkt im Dorf erfolgt. Neben dem Kauf der Ferkel, die wir nur pärchenweise vermitteln wollen, werden die Halter durch die Patenschaft außerdem mit einem großen Sack Schweinefutter pro Monat unterstützt und jede Patin und jeder Pate kann sich beim Besuch in Hundertbücheln selbst von der herausragenden Qualität des Fleisches überzeugen. Falls Du Dir vorstellen kannst, durch eine solche Patenschaft sowohl die Erhaltung dieser alten und vom Aussterben bedrohten Nutztierrasse einerseits als auch die kleinbäuerliche Lebensweise andererseits zu unterstützen, kannst Du uns einfach eine Email schreiben und erhältst alle weiteren Infos über die Entwicklungen unseres Bazna-Projekts.

Eine weitere bemerkenswerte Geschichte ereignete sich zu einem traurigen Anlass. Mit 99 Jahren verstarb in diesem Jahr die in Hundertbücheln aufgewachsene Frau Barner, und wunschgemäß wurde die Urne zur Bestattung ins Dorf gebracht. Natürlich halfen wir gerne bei den Vorbereitungen, putzten die Kirche, studierten Lieder ein, läuteten die Glocken und empfingen die neue Stadtpfarrerin aus Agnetheln. Und obwohl es ein trauriger Anlass war, freuten wir uns trotzdem sehr, dass zur Beisetzung zahlreiche Gäste kamen, die ungeachtet der ethnischen Grenzen zusammen der Verstorbenen gedachten.

Zum Schluss möchten wir Euch noch einen kurzen Ausblick geben über einige weitere geplanten Projekte unseres Vereins. Nach fast einjähriger Planung erwarten wir Ende August eine große Gruppe der European Heritage Volunteers, die uns bei der Restaurierung der Kirchenburg unterstützen wollen. Bei den EHV handelt es sich um internationale Studenten und Studentinnen der Fachgebiete Restaurierung, Architektur, Denkmalschutz und Kulturerbe, die es sich zum Ziel gesetzt haben, bei der Erhaltung und Entwicklung europäischer Kulturdenkmäler zu helfen. Wir wollen in diesem Jahr den Grundstein für eine langfristige Kooperation mit der Dachorganisation legen und zusammen mit regionalen Experten für Restaurierung zwei Wochen lang sowohl Teile der Ringmauer als auch den Aufgang zur Kirche im Torturm restaurieren. Bereits jetzt wollen wir uns einmal mehr herzlich bei unseren Freund*innen der Stiftung Kirchenburgen und der HOG Hundertbücheln bedanken, die uns sehr dabei unterstützen, dieses Projekt zu ermöglichen! Auch für dieses Projekt ist unser gemeinnütziger Verein auf Spenden angewiesen, um Materialien zu kaufen, die Experten zu entlohnen und die Verpflegung der Freiwilligen zu bezahlen. Wenn ihr uns bei einem unserer Projekte unterstützen wollt, könnt ihr die Spende von der Steuer absetzen.

Unsere Bankdaten lauten: Churchfortress e.V., IBAN: DE07 4306 0967 8234 2302 00, BIC: GENODEM1GLS.

Und die beste Nachricht kommt wie immer zum Schluss! Nachdem die Movilebox im letzten Jahr auf sehr viel Anklang gestoßen ist und wir so tolles Feedback von Euch bekommen haben, wollen wir auch in diesem Winter allen Freund*innen Hundertbüchelns die Möglichkeit geben, eine exklusive Auswahl der leckersten, hilfreichsten und schönsten Produkte unseres zauberhaften Dorfes der hundert Hügel rechtzeitig zum Weihnachtsfest nach Hause zu bestellen. Auch in diesem Projekt setzen wir voll auf Kooperation und wollen mit unserem Freund Julius zusammenarbeiten, um bereits einen Großteil der Produkte gemäß den offiziellen Bestimmungen für Kleinproduzenten herzustellen und dadurch eine weitere Einkommensmöglichkeit für einige der Menschen im Dorf zu schaffen.

Soweit für heute, unsere nächste Gruppe macht sich gerade schon auf den Weg ins magische Siebenbürgen. Bleibt gesund und seid gespannt auf die nächsten Abenteuer aus dem Dorf der hundert Hügel!